O Süsser Ton

O Süsser Ton Joseph Haydn
Deutsche Lieder - Arianna a Naxos

Susanne Lohmiller (Mezzosopran), Claudia Schweitzer (Cembalo, Clavichord)



Track-Liste:

CD 1

12 Lieder für das Clavier, Erster Teil (1781)/12 German Lieder, Part I (1781)
1. Teil Hob. XXVIa, 1-12


2. Das strickende Mädchen
3. Cupido
4. Der erste Kuß
5. Eine sehr gewöhnliche Geschichte
6. Die Verlassene
7. Der Gleichsinn
8. An Iris
9. An Thyrsis
10. Trost unglücklicher Liebe
11. Die Landlust
12. Liebeslied
13. Die zu späte Ankunft der Mutter

Einzelne Lieder verschiedener Art / Miscellaneous Lieder

14. Gott, erhalte den Kaiser, Hob XXVIa, 43
15. Der schlaue und diensteifrige Pudel, Hob XXVIa, 38
16. O süßer Ton, Hob. XXVIa, 42
17. Gott, erhalte den Kaiser, Hob. XXVIa, 43

CD 2

12 Lieder für das Clavier, Zweiter Teil (1784)/12 German Lieder, Part I (1781)
2. Teil Hob. XXVIa, 13-24


1. Jeder meint der Gegenstand
2. Lachet nicht, Mädchen
3. O liebes Mädchen, höre mich
4.Gegenliebe
5. Geistliches Lied
6. Auch die sprödeste der Schönen
7. O fließ, ja wallend fließ in Zähren
8. Zufriedenheit
9. Das Leben ist ein Traum
10. Lob der Faulheit
11. Minna
12. Auf meines Vaters Grab

Arianna a Naxos
Cantata a voce sola avec accompagnamento del Clavicembalo o Forte-Piano
Hob. XXVIb:2


13. Teseo mio ben! (Adagio Sostenuto)
14. Dove sei (Aria Largo)
15. Ma, a chi parlo (Recitativo - Andante)
16. Ah che morir (Aria)

Zu den Werken

Foto: Gabriele Kircher Joseph Haydns je 12 "Deutsche Lieder für das Clavier", Teil I und II erschienen 1781 bzw. 1784 bei Artaria in Wien. Während der erste Teil binnen eines Jahres entstand und auch völlig homogen erscheint, durchdacht in seiner Dramaturgie, tat sich Haydn mit dem zweiten Teil seines Artaria, bereits 1781 als "24 Lieder" versprochenen Werkes, deutlich schwerer.
Der Kompositionsprozess zog sich über fast vier Jahre hin, bis Haydn die Ausgabe schließlich 1784 in aller Eile fertig stellte. Dem zufolge äußerte Marianne Helms zu Recht Zweifel an der Reihenfolge des Erstdrucks von Teil II, die wohl mehr den äußerlichen Gegebenheiten als einem Gesamtkonzept Haydns entspricht. (M. Helms: "Zur Entstehung des zweiten Teils der 24 deutschen Lieder", Bericht über den Internationalen Haydn Kongress Wien, Hofburg, 5.-12.9.1982, für die Gesellschaft für Forschung zur musikalischen Aufführungspraxis hrsg. von Eva Badura-Skoda, Henle 1986)
Da aber Haydns Absicht nicht deutlich wird, haben wir uns entschlossen, dennoch der Reihenfolge der Artaria-Ausgabe von 1784 zu folgen.

Schon bald folgten Nachdrucke in deutscher, englischer, französischer und dänischer Sprache, außerdem diverse Einzelausgaben verschiedener Lieder. Die Herausgeber folgten darin nicht immer der Reihenfolge und den Überschriften Artarias und so seien die deutschen Abweichungen letzter als kleine Interpretationsanregung hier aufgelistet (auch hier wird deutlich wie sehr sich die Ausarbeitungen von Teil I und II unterscheiden):

Teil I      Nr. 1    "Das scherzende Mädchen"
Teil II     Nr. 1     Jeder meint, das holde Kind" oder
                        "Warnung an Mädchen"
                         oder "Liebe ist blind"
            Nr. 2      "Ernst und Scherz" oder "Die junge Schäferin"
            Nr. 3      "An die Geliebte" oder "Liebeserklärung"
            Nr. 4      "Wünsche der Liebe"
            Nr. 5      "Gebet" oder "Gebeth zu Gott"
            Nr. 6      "Frohsinn und Liebe" oder "Die Hoffnung"
            Nr. 7      "Trauergesang"

Bei Nr. 12 aus Teil I "Die zu späte Ankunft der Mutter", dessen Text von Christian Felix Weiße Haydn von Artaria erhalten hatte, fürchtete der Komponist übrigens die Zensur des Liedes. Hier zeigt sich vielleicht besonders deutlich der feine untergründige Humor der vertonten Texte, in denen "Echtheit" an Stelle von "Modegeschmack" oder "Virtuoseneitelkeit" stehen soll.
Den zarten Andeutungen der Texte entspricht ein schlichter Claviersatz, in dem nur in seltenen Fällen die Oberstimme nicht der Gesangslinie folgt.
Das clavierbegeleitete Sololied - und dabei meint der Terminus "Clavier" ausdrücklich das Clavichord - wurde zu einer Modeerscheinung. Dabei trug das zarte empfindsame Instrument nicht nur den schlichten Stimmen der DilettantInnen, dem Musizieren im rein häuslichen Rahmen Rechnung, sondern wurde auch als das Instrument gerühmt, das die Einsamkeit und den Schmerz lindere, betrübte Herzen beruhige, die Seele aufmuntere und innige Verbundenheit mit dem Geliebten symbolisiere. Dabei verlangt die Zartheit des Instruments auch einen besonderen Umgang mit der Singstimme, für ausgebildete Stimmen eine besondere Herausforderung.
Eine besondere Geschichte liegt dem einzeln überlieferten Lied "Der schlaue und diensteifrige Pudel" zu Grunde, die der Haydn-Biograph Dies so anschaulich schildert, dass sie hier zitiert sein soll:
(Biographische Nachrichten von Joseph Haydn, nach mündlichen Erzählungen desselben entworfen und herausgegeben von Albert Christoph Dies, Landschaftsmaler, Wien 1810, zitiert nach der 2. Auflage Berlin 1962):
"Haydn erhielt von einem jungen ausländischen (ich vermute, dass Haydn das Wort 'ausländisch' aus Absicht gebrauchte, um die Nachforschungen zu vereiteln) Fräulein einen Brief, der so vertraut abgefaßt war, als hätten beide Personen schon zwanzig Jahre lang einander gekannt. (...) Das Fräulein erzählte, sie sei eines Hauptmanns Tochter und in einen Offizier verliebt, der sie aber nicht heiraten würde und ihr lieber Haydn, der, wie sie wisse, keinem jungen und artigen Frauenzimmer etwas abschlagen könne (Haydn konnte dieses nicht ohne Lächeln erzählen), ihr nicht den Gefallen erzeigte, durch Beihilfe seiner göttlichen Musik ihr den Offizier zum Manne zu verschaffen. Nun zergliederte das Fräulein umständlich, wie und warum Haydn das könne. Ich ersuche die Leser, davon soviel sagen zu dürfen, als nötig ist, den Vorfall zu verstehen. Das Fräulein hatte Verse an Haydn geschickt, die sie selbst gedichtet und zu welchen sie eine schöne Melodie wünschte. Mit dieser Melodie wollte das Mädchen den Liebhaber überraschen, ihm das Lied vorsingen. Sie hoffte, er müsse dadurch gerührt werden und werde sie heiraten. Ohne Zweifel werden die Leser eine große Meinung von dem Inhalt des überschickten Textes gefaßt haben und auch glauben, die Schöne müsse wenigstens wie ein Engel gesungen haben. Über den letzten Punkt ist nur zu vermuten, daß ihre Stimmen rührend sein konnte, wenn sie gleich im Briefe gebeten hatte, Haydn möchte ihrer schwachen Brust nicht viel zumuten und sie oft ausruhen lassen.
Über den Inhalt des Textes werden die Leser ohne Zweifel schon beim Lesen der Überschrift in Verwunderung geraten und ebenso wenig wie ich begreifen, wie der schlaue und dienstfertige Pudel einen Liebhaber zum Entschluß bringen könne, eine Heirat zu beschleunigen? Vielleicht wird dies durch die Geschichte des Pudels verständlich.
Der Vorfall ist wahr. Der Pudel war des Liebhabers wirklich geliebtes Eigentum und hatte den vollkommensten Pudelverstand. (...)
Das Fräulein glaubte des Offizier Herz zu erobern, wenn es die Tat des Pudels in Versen verewigte und, um Haydn anzuspornen, eine recht schöne Melodie zu verfertigen, hatte sie einen Dukaten im Briefe eingeschlossen mit der Bitte, diese kleine Summe nicht zu verschmähen. Eingeschränkte Glücksumstände verhinderten die Geberin, nach ihrem Wunsche zu belohnen.
Haydn setzte die Musik (in B-Dur), überschickte sie samt dem Dukaten an die Schöne und fragte sie, ob sie ihn für einen so kargen Geizhals hielte, der auf einen Dukaten erpicht wäre? Zur Strafe solle sie ihm mit eigenen Händen ein paar Strumpfbänder zum Andenken verfertigen. Die Schöne nahm das für Ernst, überschickte kurz nachher die Strumpfbänder, meldete, sie sei krank und fügte hinzu, wenn Haydn in vierzehn Tagen keine weitere Nachricht von ihr empfang, so möchte er sie unter die abgeschiedenen Seelen zählen. Die Nachricht kam nicht, und es ist wahrscheinlich, daß das Fräulein mit einem schwindsüchtigen Körper über den mißlungenen Heiratsversuch sich zu Tode gegrämt hat."
Über das Lied "Gott erhalte den Kaiser", komponiert 1796/1797 zum Geburtstag des Kaisers am 12. Februar 1797 ist bereits viel geschrieben worden. Angeblich sang Haydn es oft abends, sich selbst am Clavier begleitend (Albert Christoph Dies).>
Über die letzten Tage von Haydns Leben berichtet wiederum Dies:
"Am folgenden, ja sogar noch am nämlichen Tage, an welchem sich Haydn legen mußte, ließ er seine Dienstleute um sich herversammeln und spielte ihnen in Begeisterung das Kaiserlied vor.
Ich möchte mich eines dichterischen Ausdrucks bedienen und sagen: es war das letzte Mal, daß er der Muße Gegenwart empfand, die erschienen war, von ihrem Liebling auf ewig Abschied zu nehmen."
Wir beschlossen, das Lied in zwei Versionen zu musizieren: einer stillen "Kammerversion" mit solistischer Stimme mit Clavichord und einer "Familienfassung" mit einem kleinen Chor, in dem getreu dem biedermeierlichen Bild der kaiserlichen Familie Mitglieder aller Altersstufen singen.
"O sanfter Ton" basiert auf dem englischen Text "O Tuneful Voice" von Anne Hunter, auf deren Dichtungen Haydn vielfach für seine späteren Liedersammlungen, den 1794 bzw. 1795 erschienenen 12 englischen Canzonetten, zurück griff.
Das Lied zeigt in seiner Anlage, seiner expressiven Melodik und seinem auskomponierten Claviersatz einen deutlich späteren Stil.
Der Text entstand ursprünglich als Abschiedsgedicht aus Anlass der Abreise Haydns im August 1795. Sein schwärmerischer Tonfall entspricht der englischen Mode des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
Die Vertonung des Textes ist als Gegenkompliment Haydns zu verstehen.
("Eben komme ich von Haydn". Georg August Griesingers Korrespondenz mit Joseph Haydns Verleger Breitkopf & Härtel 1799-1819, hrsg. von Otto Biba 1987, S. 224.).
Unsere deutsche Fassung geht auf einen Druck bei Breitkopf und Härtel (Leipzig) zurück.

In der italienischen Solokantate "Arianna a Naxos" spricht der Clavierpart eine gänzlich andere Sprache, trägt er doch gleichsam orchestrale Züge. Haydn komponierte die Kantate wahrscheinlich Ende 1789 und musizierte sie diverse Male 1790 in Wien in "musikliebenden Häusern". Am 12. April 1790 versprach Haydn dem Londoner Verleger John Bland eine Orchesterfassung, zu der es allerdings nie kam. Stattdessen gab Haydn die Kantate selbst bei seinem ersten Londoner Aufenthalt in der Clavierfassung heraus.
Die erste uns bekannte Aufführung fand mit dem berühmten Kastraten Gasparo Pacchierotti (1740-1821) und Haydn selbst am Clavier bei "Mrs. Blair in Portland Place" statt. Angekündigt war übrigens, dass Haydn am Cembalo auftreten solle, der Rezensent der Morning Post spricht von einem Hammerflügel. Wie auch immer, beide Instrumente waren deutlich für den Komponisten und das Konzertpublikum denkbar. Die Kantate wurde ein "Hit" und der größte Erfolg dieser ersten Saison Haydns in England. Das Londoner Publikum war verzückt und laut Morning Post "in Tränen aufgelöst."

Claudia Schweitzer

Susanne Lohmiller

Susanne Lohmiller studierte Gesangspädagogik und Solo-Gesang an der Musikhochschule in Freiburg/Breisgau. Abschluss des Studiums am Mozarteum in Salzburg mit dem Konzertdiplom. Des weiteren nahm die Sängerin an Seminaren für Aufführungspraxis alter Musik bei Nikolaus Harnoncourt und Meisterkursen bei Elisabeth Schwarzkopf und Kurt Widmer teil. Zudem widmet sich S. Lohmiller der experimentellen Musik. Sie wirkte mit u.a. bei der "Ars Electronica" in Linz und bei den OFF-Festspielen "Zeitfluss" in Salzburg.
Die Sängerin lebt als Gesangspädagogin in Marburg. Neben ihrer Unterrichtstätigkeit arbeitet die Künstlerin als Konzertsängerin in den Bereichen Lied, Oratorium und freie Improvisation.

Claudia Schweitzer

Claudia Schweitzer studierte historische Tasteninstrumente mit Schwerpunkt Cembalo. Seit ihrem Solistinnen-Diplom ist die in Melsungen ansässige Cembalistin als freischaffende Musikerin und Musikpädagogin tätig. Zusätzlich unterrichtet C. Schweitzer Cembalo und Solokorrepetition an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig.
Neben zahlreichen Solo-Recitals und der Zusammenarbeit mit verschiedenen SolilstInnen ist Claudia Schweitzer Cembalistin des Ensembles "La Capriola".
Ihre wissenschaftlichen Arbeiten fanden Niederschlag in mehreren Veröffentlichungen barocker Instrumentalmusik und Übersetzungen alter Traktate. Zur Zeit forscht sie über Leben und Werk der Komponistin Madame Ravissa de Turin.

Zum verwendeten Instrumentarium

Lange Zeit standen Cembalo und Hammerclavier konkurrierend nebeneinander, bis sich schließlich das Pianoforte durchzusetzen vermochte. Das Cembalo war dem Hammerclavier lange an technischer Zuverlässigkeit, Lautstärke und Brillanz überlegen, das Hammerclavier entzückte durch seine neuen Farben und dynamischen Ausdrucksmöglichkeiten. In diese Übergangszeit fällt Haydns Schaffen, und obschon sich für bestimmte Werke einzelne Instrumente durch den Satz, durch schriftliche Belege oder Besitzverhältnisse fest machen lassen, ist doch das Gros des Haydn'schen Oeuvres auf Cembalo wie auf Hammerclavier denkbar. Ja, mehr noch, hinzu tritt als drittes Tasteninstrument das Clavichord, das über einen ebensolchen Farbreichtum verfügt wie das Pianoforte, durch seine geringe Lautstärke aber der "Kammer" vorbehalten blieb.
Eine Fülle von "Liedern, beym Clavier zu singen" deuten auf seinen mannigfaltigen Gebrauch hin. Es liegt nahe, daher auch einige der Deutschen Lieder, insbesondere die intimeren, auf dem Clavichord zu interpretieren.

Wir haben für unsere Einspielung folgende Instrumente gewählt:

1. Cembalo nach deutschen Vorbildern des späten 18. Jahrhunderts, gebaut von Bernhard von Tucher, Leitheim 1998, mit der Disposition 8' 8' 8' peau de buffle und Laute,
2. bundfreies Clavichord nach einem Originalinstrument von Johann Christian Gottlieb Schiedmayer (Neustadt a. d. Aisch, 1787), gebaut von Jürgen Ammer, Breitenbach bei Kassel 1997.

Der neuen Klangästhetik entsprechend wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit dem Instrument Cembalo experimentiert. Durch verschiedene Schweller (insbesondere in England), Kniehebel oder Pedale für schnelle Registrierungen (Frankreich und England) oder verschiedene Materialien (Frankreich und Deutschland) sollte der starre Cembaloklang beweglicher und nuancenreicher gestaltet werden. Beim Peau de buffle Register sind die Kiele nicht aus Vogelkiel bzw. Delrin, sondern aus Büffelleder gemacht, das eine weiche, schmeichelnde Klangfarbe mit leichter Anschlagdynamik erzeugt.

Gestimmt wurde in Neidhardt (1729) auf a1=413 Hz..

Claudia Schweitzer

Pressestimmen


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