IndiviDuo: ein ander hören

Die CD-Produktion einer improvisatorischen Live-Aktion ist die Stunde der Wahrheit: Trägt die Musik auch jenseits der Aufführungs-Atmosphäre und dem bei Improvisation stets mehr oder weniger vorhandenen Performance-Charakter? Hat das reine Klangerlebnis wirklich musikalische Substanz? Rechtfertigt die Musik das mehrmalige Anhören?

Die Geigerin und Bratschistin Rike Kohlhepp und der (kompositorisch ausgebildete) Pianist Thomas Reuter, die seit 5 Jahren gemeinsam improvisierend als IndiviDuo auftreten - haben sich dieser Herausforderung gestellt und präsentieren mit ihrer CD ein ander hören den Live-Mitschnitt eines Konzertes vom Januar 2002 in Kassel. Dem Ablauf liegen weit gefasste Vereinbarungen zugrunde: eine Folge frei gestalteter Sätze als Suite, die räumliche Trennung der Spieler, die Einbeziehung der Stimme, die Konzentration auf den Verlauf der Klangfarben im einen Stück, auf die verschiedenen Qualitäten des Rhythmus und der Bewegung in einem anderen u.v.m.

Die beiden Akteure sind glänzend aufeinander eingespielt. Von der totalen Verschmelzung bis zur völligen Individualisierung kosten sie die Möglichkeiten der musikalischen Interaktion genüsslich aus. Sie agieren mit überbordender Spiellaune und zugleich mit Lust an präziser farblicher Nuancierung ebenso wie an der Spielbewegung und den daraus resultierenden rhythmischen Gestaltungs- und Variationsmöglichkeiten. Dabei demonstrieren sie einen souveränen Umgang mit dem Tonhöhenmaterial. Insbesondere der Klavierpart verblüfft mit atmosphärisch präzise angehörten Vielklängen; bisweilen wie Erinnerungsbilder aufblitzende tonale Elemente fügen sich wie fremdartige Puzzleteile in eine unvorhersehbare und darum umso spannendere Ordnung ein.

Das Besondere aber an dieser vorwiegend ästhetischen und klangschönen Musik ist deren heiter-nachdenklicher Grundcharakter. Schwere, Pathos, selbst Dramatik ist ihr fern, vielmehr sucht und findet sie ihren Mittelpunkt in der Stille, im genauen Hören, im sorgfältigen zeitlichen und klanglichen Dosieren, das eine merkwürdige und doch sehr überzeugende Verbindung mit lustvoller - und trotzdem wohlbemessener - Ausgelassenheit und einem Sinn für gestalterische Verspieltheit und dezenten Humor eingeht.

Alles in allem ein geglücktes musikalisches Ereignis, dass auf CD zu konservieren sich wahrlich lohnt und auch nach wiederholtem Anhören immer noch nach mehr verlangt!

Matthias Schwabe


Zurück zur Presse-Seite